Neulich an einer weiterführenden Schule: Eine Lehrkraft ist mit ihren Nerven am Ende und ermahnt die Schüler und Schülerinnen dringlich, sich still zu verhalten. 31 Kinder schaffen das. Das Kind mit Förderbedarf schafft es nicht. Es wird vor die Tür geschickt. Das Kind packt provokant langsam seine Sachen zusammen. Als es endlich vorne bei der Lehrkraft ankommt, schiebt diese das Kind Richtung Tür, damit es schneller geht. Das Kind lässt sich zu Boden fallen. Mit dem Fuß schiebt die Lehrkraft das Kind weiter Richtung Flur und versucht, die Tür zuschließen, während das Kind noch im Türrahmen liegt – eine Situation, wie sie keiner der Beteiligten hätte erleben wollen.
Lehrkräfte in Deutschland sind zunehmend von Burnout betroffen – einem Zustand emotionaler Erschöpfung und körperlicher Überlastung, der langfristig zu ernsthaften psychischen und physischen Problemen führen kann. Die Herausforderungen im Schulalltag sind enorm: Neben ständig wachsendem Arbeitsdruck, großen Klassen und vielfältigen pädagogischen Anforderungen spielen auch Konflikte mit Schüler*innen und mangelnde Unterstützung eine Rolle. Die Situation eskaliert in manchen Fällen so stark, dass Lehrkräfte – wie in der eingangs geschilderten Szene – die Nerven verlieren und pädagogisch fragwürdig reagieren.
Ursachen für Burnout bei Lehrkräften
1. Hohe Arbeitsbelastung: Lehrer*innen verbringen mehr Stunden mit der Arbeit als nur mit Unterricht. Vorbereitung, Korrekturen, Elterngespräche und administrative Aufgaben summieren sich, was zu einem ständigen Gefühl führt, nie fertig zu werden.
2. Große Klassen und heterogene Schülerschaft: In Klassen mit über 30 Schülern und Schülerinnen bleibt oft nicht genug Zeit für jeden Einzelnen. Besonders Kinder mit Förderbedarf benötigen individuelle Betreuung, die in großen Klassen nicht immer gewährleistet werden kann.
3. Emotionale Belastungen: Der ständige Kontakt zu Kindern und Jugendlichen, die eventuell auch mit Problemen aus ihrem sozialen Umfeld kämpfen, verlangt von Lehrkräften ein hohes Maß an Empathie und Belastbarkeit. Konflikte und herausforderndes Verhalten sind an der Tagesordnung.
4. Mangelnde Anerkennung und Unterstützung: Lehrer*innen fühlen sich oft allein gelassen. Es fehlt an Anerkennung und oft auch an Unterstützungsangeboten durch die Schuladministration oder das Bildungssystem.
5. Erwartungsdruck und Idealvorstellungen: Viele Lehrer*innen haben den Wunsch, jedem Kind gerecht zu werden, aber die Realität sieht oft anders aus. Dieser innere Druck kann zu einem Gefühl des Versagens und zur Erschöpfung führen.
Auswirkungen von Burnout auf Lehrerinnen und Schülerinnen
Burnout bleibt nicht ohne Folgen – weder für die betroffenen Lehrkräfte noch für ihre Schüler*innen:
• Gesundheitliche Folgen für Lehrer*innen: Körperliche Symptome wie Schlaflosigkeit, Kopf- oder Rückenschmerzen, häufige Erkältungen oder sogar schwerwiegendere Erkrankungen können auftreten. Psychisch führt Burnout oft zu Depressionen, Angstzuständen und einer verminderten Leistungsfähigkeit.
• Verminderte Unterrichtsqualität: Burnout beeinflusst das Verhalten und die Geduld von Lehrerinnen. Die Konzentration sinkt, Konflikte eskalieren schneller, und die Beziehung zu den Schülerinnen leidet. Unterricht wird häufig nur noch „abgearbeitet“ statt mit Engagement gestaltet.
• Negative Auswirkung auf das Klassenklima: Der Zustand der Lehrkraft hat oft einen direkten Einfluss auf die Stimmung und Motivation der Schülerinnen. Unzufriedene und überlastete Lehrerinnen können kaum ein positives Lernumfeld schaffen.
Hilfsangebote und Präventionsmaßnahmen für Lehrer*innen
Um Burnout vorzubeugen und belasteten Lehrkräften zu helfen, gibt es verschiedene Angebote und Strategien:
1. Beratungsangebote und Supervision: In vielen Bundesländern gibt es Angebote wie schulpsychologische Beratung und Supervision. Hier können Lehrkräfte über ihre Probleme sprechen, Lösungen entwickeln und Unterstützung erfahren.
2. Fortbildungen und Workshops zur Selbstfürsorge: Einige Fortbildungen richten sich speziell an Lehrkräfte und beschäftigen sich mit Stressbewältigung, Zeitmanagement und Resilienzförderung. Solche Kurse können helfen, besser mit den alltäglichen Belastungen umzugehen.
3. Kooperation im Kollegium: Unterstützung im Kollegenkreis kann entlastend wirken. Regelmäßige Gespräche, kollegiale Fallberatungen oder Team-Teaching-Modelle können helfen, die Last zu verteilen und sich gegenseitig zu entlasten.
4. Mentoring-Programme für junge Lehrerinnen: Gerade Berufseinsteigerinnen fühlen sich oft überfordert. In einigen Schulen werden daher Mentoring-Programme angeboten, um jungen Lehrer*innen den Einstieg zu erleichtern und ihre Belastung zu reduzieren.
5. Unterstützung durch externe Fachkräfte: Besonders bei Schülerinnen mit besonderen Bedürfnissen ist es hilfreich, wenn Schulen auf Integrationshelferinnen, Sozialarbeiterinnen und Schulpsychologinnen zurückgreifen können. Dadurch wird die Verantwortung der Lehrkraft reduziert.
6. Anpassung der Arbeitsbedingungen: Langfristig sind strukturelle Veränderungen im Bildungssystem nötig, um den Arbeitsdruck zu senken. Dazu gehören kleinere Klassen, eine Reduktion der administrativen Aufgaben und zusätzliche Fachkräfte an Schulen.
Prävention ist das A und O
Burnout bei Lehrkräften ist ein ernstes Problem, das nicht nur die Betroffenen, sondern auch das gesamte Bildungssystem betrifft. Daher ist es wichtig, dass Schulen, Bildungsbehörden und die Gesellschaft insgesamt gemeinsam daran arbeiten, die Arbeitsbedingungen für Lehrer*innen zu verbessern und ihnen Hilfsangebote zugänglich zu machen. Eine gesunde Lehrkraft bedeutet ein gesundes Lernumfeld – und davon profitieren letztlich alle.
Als Lern- und Verhaltenstherapeutin stehe ich Lehrkräften beratend zur Seite, die ihren Arbeitsalltag entspannter und bereichernder gestalten wollen. mehr dazu